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Verbot von "Gehsteigberatung" bestätigt

Datum: 07.12.2011

Kurzbeschreibung: PM 07.12.2011

Mit den Beteiligten heute bekannt gegebenem Urteil vom 01.12.2011 (4 K 1112/11) hat das Verwaltungsgericht Freiburg das Verbot sogenannter Gehsteigberatung durch den Verein „Lebenszentrum – Helfer für Gottes Kostbare Kinder Deutschland e. V.“ und von ihm beauftragte Personen bestätigt.

Die Stadt Freiburg hat dem Verein und von ihm beauftragten Personen unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 250,-- EUR untersagt, Personen in der Humboldtstraße in der Freiburger Innenstadt, an der auch die Beratungsstelle von pro familia e.V. liegt, auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation anzusprechen oder ihnen unaufgefordert Broschüren, Bilder oder Gegenstände zu diesem Thema zu zeigen oder zu überreichen. Dagegen hat der Verein bereits vorläufigen Rechtsschutz beantragt, den das Verwaltungsgericht Freiburg mit Beschluss vom 04.03.2011 abgelehnt hat (Pressemitteilung vom 10.03.2011 unter www.vgfreiburg.de). Die dagegen gerichtete Beschwerde des Vereins hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 10.06.2011 zurückgewiesen (Pressemitteilung des Verwaltungsgerichtshofs vom 16.06.2011 unter www.vghmannheim.de). Mit seinem Urteil vom 01.12.2011 hat das Verwaltungsgericht Freiburg nun auch im Hauptsacheverfahren die Klage des Vereins gegen das Verbot abgewiesen.

Zur Begründung ihres Urteils hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts im Wesentlichen auf die Entscheidungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verwiesen. Sie hat betont, Gegenstand der Untersagung sei in sachlich-inhaltlicher Hinsicht das Verbot, Personen auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation anzusprechen oder ihnen unaufgefordert Broschüren, Bilder oder Gegenstände zu diesem Thema zu zeigen oder zu überreichen. Dagegen würden weder generell der Aufenthalt in der Humboldtstraße noch allgemein gehaltene Formen der Meinungsäußerung wie Mahnwachen, Gebetsvigilien, Hochhalten von Transparenten und Spruchbändern verboten. In räumlicher Hinsicht beschränke sich die Untersagungsverfügung auf denjenigen Teil der Humboldtstraße, der von der Kaiser-Joseph-Straße in westlicher Richtung abzweige; sie erfasse nicht den von der Rempartstraße nach Norden hin abzweigenden Teil der Humboldtstraße, von dem aus keine Blickbeziehungen zur Beratungsstelle des Beigeladenen möglich seien. So eng verstanden finde die Untersagungsverfügung ihre Rechtsgrundlage im Polizeigesetz. Nach erneuter Überprüfung halte die Kammer an ihrer Auffassung fest, dass das Ansprechen auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation in unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Nähe zu einer Schwangerschaftskonfliktberatung mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Frauen und damit zu einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit führe.

Es gehe nicht darum, dass dem Verein die Ansprache von Personen auf öffentlichen Straßen generell verboten würde. Untersagt werde nur die Ansprache in einem räumlich eng umgrenzten, etwa 70 m langen Bereich der Humboldtstraße „auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation“. Das verbotene Verhalten sei dadurch gekennzeichnet, dass die „Zielpersonen“ von den Gehsteigberatern nicht nur als Passanten - etwa zum Zwecke der Mitgliederwerbung oder des Wahlkampfes -, sondern wegen eines in ihnen vermuteten tiefgreifenden und existenziellen Konflikts angesprochen würden. Denn von der angesprochenen Frau werde vermutet, dass sie ein Kind in sich trage und einen Abbruch der Schwangerschaft jedenfalls in Erwägung ziehe. Die Ansprachekriterien Schwangerschaft, Beratungsbedarf und innerer Konflikt wiesen einen besonders starken Bezug zur engsten Privatsphäre der Angesprochenen auf. Dieser Kontext rechtfertige es - nicht zuletzt mit dem Ziel der Verwirklichung des gesetzlichen Beratungskonzepts und hier der Ergebnisoffenheit der Beratung -, den Schutz der Privatsphäre in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zu Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen mit einem besonderen Gewicht zu versehen.

Die Meinungsfreiheit hindere den Erlass der angefochtenen Untersagungsverfügung ebenso wenig wie die Religionsfreiheit des Vereins, wie bereits in den Beschlüssen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt worden sei. Insoweit sei für die erkennende Kammer nach erneuter und intensiver Überprüfung ihrer Rechtsauffassung von Bedeutung, dass dem Verein in einem räumlich eng umgrenzten Bereich nur eine ganz spezifische Art der Ansprache von Personen untersagt werde, dass aber die Meinungs- und Religionsfreiheit im Übrigen ungeschmälert bleibe.


Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verein kann innerhalb eines Monats Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen.

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